In einem alten handgeschriebenen Kochbuch fanden wir auf einer Seite zwei Rezepte für „Hefeblätterteig”. Was, um Himmels Willen, ist das? Und was kann man damit anfangen? Bei der Beantwortung dieser Frage werden wir einiges an altem Wissen zutage fördern. Wissen, das in Zeiten von Tiefkühlteigen, Aufbackbrötchen und Bäckereifilialen in Vergessenheit geraten ist. Es ist noch gar nicht lange her, dass wir der weit verbreiteten Aussage, man selbst könne einen Blätterteig nicht besser machen als den, den man gefroren im Supermarkt kaufen kann, zustimmten. Dann begannen wir aus Neugier doch mit dem Selbermachen. Und siehe da: die Ergebnisse sind umwerfend! Duft und Geschmack der Köstlichkeiten aus dem Backofen sind schlicht betörend.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Doch bevor wir anfangen, müssen wir uns schon mit Feinheiten auseinandersetzen. Um Missverständnissen vorzubeugen. Blätterteig und Hefeblätterteig sind zwei völlig voneinander verschiedene Arten von Teig. Der „einfache” Blätterteig (den wir hier demnächst auch vorstellen wollen), in Frankreich auch „mille-feuille” (also: tausend Blätter) genannt, ist ein echter Allrounder. Süß oder salzig, als Tarte oder Tasche oder gar als knusprige Trennschicht in cremigen Torten und Törtchen eignet er sich hervorragend.
Die Basis des Teigs ist sehr simpel. Kompliziert wird es erst dann, wenn die Butter, in den Teig hineingefaltet wird. Die Herstellung eines Blätterteigs ist nämlich erst in der „mechanischen” Phase kompliziert. Aber ehrlich: so richtig kompliziert nun auch wieder nicht. Wer in Kindertagen schon einmal ein Briefkuvert selbst gefaltet hat, kann auch einen Blätterteig falten.
Der Teig, dem wir uns heute widmen wollen, ist viel eleganter als der „einfache” Blätterteig. Aber „Hefeblätterteig” ist nicht so vielseitig einsetzbar wie sein einfacherer Verwandter. Wenn wir Euch jetzt verraten, was man daraus macht, werdet Ihr möglicherweise sofort in Eure Küchen verschwinden und die Basis strahlender Gesichter am Sonntagsfamilienfrühstückstisch herstellen. Denn dieser Teig hat eine Königsdisziplin: Croissants! Mmmmhhh. Wem einmal selbstgemachte Croissants gelungen sind, wird nie mehr andere essen wollen. Versprochen!

Smalltalk
Bevor wir mit dem Rezept beginnen, machen wir noch einen kleinen Schlenker in die Welt des Hintergrundwissens: Wusstet Ihr, dass die klassischen französischen Croissants eigentlich eine Erfindung aus Wien sind? Erste gebackene „Halbmonde” auf Hefeteigbasis gab es schon Ende des 17. Jahrhunderts in Wien. Die ähnelten vom Teig aber eher buttrigen Brioches als unserer heutigen Vorstellung von Croissants.
Von Marie Antoinette, einer Habsburger Prinzessin aus Wien, erzählt man, dass sie einige Köstlichkeiten (darunter möglicherweise auch gebogene Teigteilchen) aus den Hofkonditoreien Wiens an den Pariser Hof brachte, wo sie mit Ludwig XVI. verheiratet worden war (und schließlich im Zuge der Französischen Revolution hingerichtet wurde).
Vollends gesichert gilt schließlich, dass der Wiener Konditormeister August Zang sich 1838 in Paris niederließ und einen Laden in der Rue Richelieu Nummer 92 eröffnete. Die Geschäfte liefen schleppend, schreibt sein berühmter Nachbar: der Richter und erste nennenswerte Gastronomieautor der französischen Neuzeit: Jean Anthelme Brillat-Savarin. Einzig die „Wiener Kipferln” verkauften sich großartig und erwiesen sich als Motor von Zangs geschäftlichem Erfolg. Um 1900 waren die Croissants schließlich zum Inbegriff des französischen Frühstücks geworden. Niemand denkt beim Anblick eines Croissants mehr an Wien. (Ihr jetzt schon!)

Der Smalltalk für den Frühstückstisch am Sonntag ist nun also auch gesichert. Diese und noch viel mehr Geschichten könnt Ihr erzählen, während Eure Lieben unter Wonneschauern die von Euch gebackenen duftenden Croissants in Konfitürentöpfchen tunken, um sie genüsslich zu verspeisen.
Fermentation – Schlüssel zum Erfolg
Croissants bestehen aus Hefeteig. Heutzutage ziehen wir einen längeren Fermentationsprozess dem Turboeinsatz von Hefen vor. Am Ende zahlt sich das aus. Luftigkeit, Duft und Geschmack sind unvergleichlich besser als im Schnelldurchlauf. (Besonders feine französische Bäckereien setzen auf Sauerteigbasis bei der Croissantherstellung. Dabei benutzen sie einen Sauerteig, der dem nur mildsauren, festen, triebstarken italienischen Sauerteig „lievito madre” näher ist, als dem deutschen Sauerteig – wer sich dafür interessiert, schreibt’s in die Kommentare. Sollten wir erhöhtes Interesse feststellen, veröffentlichen wir etwas darüber.)
Wir sperren uns gewiss nicht für schnelle Kuchenrezepte. Aber hier ist Zeit ein sehr, sehr wichtiger Faktor bei allen Rezepten mit Sauerteig oder Hefe. So dass wir für unsere Croissants empfehlen, mindestens zwei Tage einzuplanen. Keine Sorge, am Ende steht niemand mit tiefen Augenringen am Backofen. Die reine Arbeitszeit wird eine gute Stunde kaum überschreiten. Der Rest besteht aus Teigruhe und eben: Fermentation. Um es kurz zu machen: Wer am Sonntagmorgen zehn Uhr frische, selbstgemachte Croissants auf dem Frühstückstisch haben will, sollte am Freitagabend mit der Teigherstellung beginnen.
Das Rezept
Unser Rezept heute ist ein Hybrid aus der Anleitung im alten Kochbuch (siehe Foto) und unseren Erfahrungswerten. Das alte Rezept bildet eine großartige Basis. Unsere Erfahrungswerte machen die Croissants weniger „hefig”, feiner, leichter und geschmacklich eleganter.
Wir benötigen für die Teigbasis: 130 Gramm Wasser, 250 Gramm Haushaltsmehl (wir bevorzugen Bio-Weizenmehl Typ 550 direkt aus der Mühle wie etwa dieser hier), 30 Gramm Zucker, 5 Gramm Salz und zwei Eigelb sowie (für’s Erste) zehn Gramm Frischhefe und 25 Gramm geschmolzene abgekühlte Butter.

Für die in den Teig zu faltende Butter benötigen wir ca. 140 Gramm gute Butter (viel Fett, wenig Wasser).
Los geht’s mit dem Einrühren der Hefe in das (lauwarme) Wasser. Dieser Mischung gönnen wie eine gute Viertelstunde Ruhe. Unterdessen verrühren wir trocken das Mehl, den Zucker und das Salz. Inzwischen sind 15 Minuten vergangen, so dass nun das Hefe-Wasser-Gemisch zu den übrigen Zutaten in die Schüssel gegeben wird, die geschmolzene Butter und zwei Eigelbe dazu.
Mit den Händen alle Zutaten verkneten, bis ein noch etwas zäher klebriger Teig entsteht. Jetzt empfiehlt es sich, den Teig aus der Schüssel zu nehmen und mit beiden Händen kräftig auf die Arbeitsfläche zu werfen, aufnehmen, wieder werfen und so weiter bis der Teig eine glatte Oberfläche aufweist. Danach falten wir Stabilität in den Teig. Einige machen das, indem sie den Teig aufziehen als wollte man Socken aufrollen. Andere legen den Teig in die Schüssel und zupfen vom Rand Ecken heraus, die sie in die Mitte der Teigkugel falten. (Das dürfen gut und gerne 15 bis 20 solcher Ecken sein.) Danach lässt man den Teig eine halbe Stunde im Kühlschrank ruhen und wiederholt diese Faltungen und Ruhezeiten noch zweimal.
Beurrage
Unterdessen ist es ratsam, die „Beurrage”, also die Butterplatte, herzustellen, die in den langsam reifenden Hefeteig gefaltet wird. Hilfreich dazu ist ein Butterbrotpapier. Bei unseren Versuchen hat es sich als ratsam erwiesen, die 140 Gramm Butter in etwa halbzentimeterdicken Scheiben vom Block zu schneiden.



Nun legt man drei der so entstandenen Rechtecke horizontal in die Mitte des Butterbrotpapiers. Ein Viertes Rechteck legt man vertikal rechts an die drei horizontalen Rechtecke an. Restliche Butter verteilt man auf das nun entstandene Butterquadrat. Nun schlägt man das Butterquadrat in das Butterbrotpapier ein, so dass man ein hübsches Päckchen mit gleichmäßigen Kantenlängen von zehn Zentimetern hat. Jetzt drückt man mit dem Nudelholz die Butter feinsäuberlich in die Ecken. Das ist erst ein leichtes Schlagen und Drücken. Wenn sich langsam die Zwischenräume zwischen den Butterstücken schließen, kann man es mit Rollen versuchen. Wenig Druck, viel Feingefühl. Millimeter um Millimeter füllt sich das Quadrat. Ab in den Kühlschrank damit. Für eine halbe Stunde.
Butter und Teig
Jetzt wird es spannend. Das Geheimnis eines Hefeblätterteigs ist, dass die Butter in den Teig gefaltet wird und in dünnen Schichten den Teig voneinander trennt. Die Luftigkeit und Fluffigkeit eines Croissants entsteht durch die Zwischenräume zwischen den Teigschichten. Diese „Löcher” sind Räume, die von schmelzender Butter geschaffen wurden. Aus der Butterplatte im Teig wird nach der ersten Faltung eine zweite Butterschicht. Danach geht es exponentiell voran. Aber das ist Mathematik. Wir backen!
Das Falten kann bequem am zweiten Tag geschehen. Bei unserer Beispielrechnung hätten wir jetzt also Samstag. Das Falten selbst sollte inklusive Ruhepausen für den Teig nicht länger als zwei Stunden in Anspruch nehmen.
Dafür nehmen wir zunächst den Teig aus dem Kühlschrank und rollen ihn zu einem Quadrat von ca. 18cm Kantenlänge aus. (Ein Maßband an der Arbeitsplatte schadet hierbei nicht!) Nachdem es uns gelungen ist, den Teig maßstabsgerecht auszurollen, platzieren wir das aus dem Butterbrotpapier ausgepackte Butterquadrat in der Mitte des Teigquadrats. Und zwar um 45 Grad gedreht. Unser Croissantteig sieht jetzt also so aus: ein kleines Quadrat liegt mittig auf einem großen Quadrat. Und über jeder Kante des Butterquadrats befindet sich quasi ein Teigdreieck. Diese vier Teigdreiecke falten wir nun nacheinander über die Mitte des Butterquadrats, so dass unser Päckchen wie ein quadratischer Briefumschlag aussieht.
Nun drücken wir mit dem Nudelholz vorsichtig den Teig an die Butter. Erst auf der gefalteten Seite. Wir drehen das Quadrat um 90 Grad und drücken wieder den Teig an die Butter an, so dass jeweils vier bis fünf kleine Dellen im Teig entstehen. Nun wenden wir unsere „Teigtasche” und drücken ebenso den Teig auf der „glatten” Seite an die Butter, drehen um 90 Grad und drücken wieder. und wieder sieht man eng beieinander vier, fünf „Druckstellen” des Nudelholzes. Sollte sich die Tasche schon kompakt anfühlen, kann man es auch schon mit einer leichten Rollbewegung versuchen.
Auf Touren
Und wieder wandert unser Teig zurück in den Kühlschrank. Eine halbe Stunde sollte reichen. Nun beginnen die „Touren”, d.h. es wird gerollt und gefaltet: Mit dem Nudelholz rollen wir das Quadrat zu einem horizontal vor uns liegenden langen Rechteck aus. Dieses Rechteck sollte etwa 40 bis 45 Zentimeter lang sein. Wichtig ist, darauf zu achten, dass die Butter gleichmäßig in der gesamten Fläche verteilt ist. (Korrekturen sind in diesem Stadium kaum mehr möglich!).
Hat unser Quadrat die Länge von ca. 40 bis 45 Zentimeter erreicht, falten wir das obere Viertel des Teigs uns entgegen, so dass wir jetzt im oberen Teil zwei Lagen Butter umhüllt von Teig haben.

Wir falten den unteren Teil des Teigs so nach oben, dass beide kurze Kanten sauber aneinanderstoßen. Jetzt falten wir dieses Quadrat längs einmal in der Hälfte wie ein Buch, das wir zuklappen. Wir packen dieses jetzt rechteckige Teigtäschchen luftdicht in Frischhaltefolie ein und legen es zur Erholung in den Kühlschrank.

Noch zweimal wiederholen wir die Faltung des Rechtecks wie oben beschrieben. Jeweils unter Berücksichtigung des Verpackens und Ruhens im Kühlschrank. Nach der letzten Faltung bleibt der Teig nun über Nacht in seiner Frischhaltefolie im Kühlschrank.

Das Finale
Am Sonntagmorgen heißt es: früh aufstehen! (Aber wer tut das nicht gerne für frisch gebackene Croissants). Im Idealfall sollte der gefaltete Teig in der Plastikfolie an Volumen zugelegt haben. Prall drückt er gegen die Folie. Beim Auspacken fühlt er sich zart und elegant an den Händen an. Nun rollen wir ihn in die Breite und die Länge aus. Dabei sollte der Teig nicht widerspenstig sein, sondern glatt und leicht formbar. In der Länge etwa 45 bis 50 Zentimeter und in der Breite 25 bis 30 Zentimeter.
Nun empfiehlt sich so ein Rad, mit dem man Pizza teilen kann. Ein Messer tut es auch. Mit einem Rad geht es leichter. Auf einer Seite der Teigfläche werden nun im Abstand von zehn Zentimetern Schnittstellen markiert. Auf der gegenüberliegenden Seite markieren wir ebenfalls solche Schnittstellen, aber um fünf Zentimeter versetzt. So schneiden wir mit dem Rad oder dem Messer schöne, sehr längliche Dreiecke aus dem Teig. Jedes der Dreiecke ziehen wir vorsichtig noch mehr in die Länge (etwa +1cm). An der breiten Seite schlagen wir die Ecken ein und rollen den Teig zur Spitze hin. Auf einem Backblech haben wir Backpapier ausgelegt und legen jede Teigrolle auf ihre kleine Spitze und drücken diese an, um sicher zu gehen, dass sich durch das Gehen und Backen des Teigs unser Croissant nicht ausrollt. Nun verquirlen wir ein Ei und pinseln jede Rolle sorgfältig mit dem verquirlten Ei ein. Wer noch müde ist, kann sich wieder hinlegen. Die Teigrollen sollten jetzt ca. zwei Stunden bei Zimmertemperatur sich selbst überlassen werden.

Nach den zwei Stunden haben die Rollen ihr Volumen verdoppelt. Wir pinseln sie noch einmal sorgfältig mit dem verquirlten Ei ein.
Jetzt geben wir die Teiglinge in den auf 230° vorgeheizten Backofen. Keine Umluft, nur Ober- und Unterhitze! Nach ca. zwanzig Minuten haben die Croissants Farbe bekommen und sind prächtig aufgegangen. Kurz bevor sie zu dunkel werden (nach etwa 25 Minuten) nehmen wir das Blech aus dem Ofen und lassen die Croissants abkühlen.
Einen Wecker braucht an diesem Morgen niemand im Haus. Der Duft der Croissants lockt alle wie verzaubert an den Frühstückstisch.